Psychotherapie und Berufsunfähigkeitsversicherung: Wegweisendes Urteil zur vorvertraglichen Anzeigepflicht

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Was ist nur eine Untersuchung und was eine Behandlung, die Interessenten für eine Berufsunfähigkeitsversicherung anzeigen müssen? Eine aktuelle Entscheidung gibt wichtige Anhaltspunkte.

Jeder vierte Erwachsene in Deutschland erfüllt innerhalb eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Das belegen Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. Vor allem Angststörungen und Depressionen sind weit verbreitet.

Wer sich in schweren Zeiten Hilfe gesucht, aber noch nicht alle wichtigen Versicherungen abgeschlossen hat, steht jedoch oft vor einem Problem. Denn viele Versicherungen – etwa Lebensversicherungen, Krankenversicherungen oder Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU)stellen Interessenten vor Vertragsschluss Fragen zu ihrem Gesundheitszustand. Wer dann angeben muss, dass er wegen psychischer Probleme in Behandlung war, erhält in der Regel eine Absage.

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden macht nun allerdings Hoffnung.

Was Kunden bei den Gesundheitsfragen vergessen dürfen

Im konkreten Fall ging es um eine Kundin, die im Juni 2013 eine Lebensversicherung in Kombination mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen hatte. Im Februar 2016 beantragte sie eine Rente, da sie wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig geworden war. Die Gesellschaft lehnte die Leistung ab.

Das Argument: Die Kundin habe einige Jahre vor der Antragsstellung mehrere Sitzungen bei einem Psychiater absolviert, diesen Umstand aber in den Gesundheitsfragen nicht angegeben.

Die Frau wollte dies nicht hinnehmen und klagte. Sie argumentierte, dass sie im fraglichen Zeitraum (kurz vor ihrem Abitur) zwar einen Psychiater aufgesucht hatte. Dort habe sie allerding nur die probatorischen Sitzungen in Anspruch genommen, bei denen ermittelt wird, ob und wenn ja, welcher Behandlungsbedarf bei einem Patienten besteht.

Der Psychiater habe in ihrem allerdings keinen Anlass für eine Therapie gesehen, da die Patientin nur Lampenfieber habe, aber an keiner Prüfungsangst leide. Da keine Krankheit diagnostiziert worden sei, habe sie vergessen, diese Episode bei den Gesundheitsfragen anzugeben.

Untersuchung und Behandlung sind zweierlei

Das OLG Dresden folgte dieser Argumentation und sprach der Frau die begehrte Rente zu. Zur Begründing hieß es, ein Versicherer dürfe vor Vertragsschluss zwar auch Beeinträchtigungen erfragen, die noch keinen Krankheitswert aufweisen. Die weit gefasste Pflicht des Versicherungsnehmers zur Offenbarung finde aber ihre Grenze bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die „offenkundig belanglos sind, oder alsbald vergehen.“

Im konkreten Fall sei in den Antragsfragen zudem nicht nach „Untersuchungen“, sondern nach „Behandlungen“ gefragt worden. Eine Behandlung liege aber erst dann vor, „wenn eine Therapie eingeleitet wird, etwa durch eine Medikation oder einen Eingriff“. Bleibe eine Untersuchung hingegen, wie im Fall der von Lampenfieber geplagten Abiturientin, ohne Befund, sei eine Behandlung zu verneinen (OLG Dresden, Az. 4 U 1215/22).

Kommentar von Anwalt bei Berufsunfähigkeit, Jürgen Wahl:

Die Entscheidung ist für Versicherte erfreulich, bringt aber keine endgültige Rechtssicherheit, da eine Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen wurde und somit kein höchstrichterliches Urteil ergehen kann. Bei Streit über eine mögliche Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten sollten sich Versicherungskunden daher nach wie vor von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht beraten lassen.

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