Nachversicherung: Pflegetagegeld gibt es auch für Kind mit angeborenem Herzfehler

()

Muss ein Versicherungsnehmer, der sein (noch ungeborenes) Kind in den Versicherungsschutz mit einbeziehen will, darauf hinweisen, dass die Pränataldiagnostik auf mögliche Fehlbildungen hinweist?

Ein Mann will sich und seine Familie für den Fall der Pflegebedürftigkeit absichern. Er schließt deshalb eine private Versicherung ab. Dem Vertrag liegen die die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Pflegetagegeldversicherung (AVB) zugrunde. Danach muss die Assekuranz im Fall der Pflegebedürftigkeit die vereinbarte Tagesleistung an die versicherte Person zahlen.

Zudem ist dort niedergelegt, dass, falls am Tag der Geburt mindestens ein Elternteil eine Pflegetagegeldversicherung bei der Gesellschaft unterhält, diese verpflichtet ist, auch das neugeborene Kind ohne Risikozuschläge zu versichern. Dafür muss die Anmeldung zur Versicherung spätestens zwei Monate nach dem Tag der Geburt rückwirkend zum Tag der Geburt erfolgen. Wörtlich hieß es in der im konkreten Fall geltenden Version der AVB: „In diesem Fall besteht Versicherungsschutz auch für Geburtsschäden sowie angeborene Krankheiten und Gebrechen (…)“.

Ein Verdacht ist noch keine Diagnose

Als klar ist, dass er Vater wird, beantragt der Kunde für seinen noch ungeborenen Nachwuchs eine Pflegeversicherung bei seiner Gesellschaft. Er stellt den Antrag in der 23./24. Schwangerschaftswoche seiner Frau. Kurz zuvor hatte eine Untersuchung ergeben, dass das Kind möglicherweise ein hypoplastisches Linksherzsyndrom haben könnte. Dieser Verdacht war dem Kunden zwar (vermutlich) bekannt, er wies die Versicherung allerdings nicht auf das erhöhte Risiko hin, zumal dieser im Antragsformular auch keine entsprechenden Fragen stellte.

Der Versicherer nahm den Antrag des Kunden im Juli 2019 an. Das Kind kam im Oktober zur Welt. Der Vater meldete die Geburt entsprechend den AVB und bat um Nachversicherung seines Sprösslings. Auf das bei seinem Neugeborenen tatsächlich diagnostizierte hypoplastische Linksherzsyndrom wies er erneut nicht hin. Und auch der Versicherer verzichtete, wie schon zuvor, auf Fragen zum Gesundheitszustand des Kindes. Stattdessen schickt die Gesellschaft dem frischgebackenen Vater im November 2019 einen neuen Versicherungsschein. Versicherte Person war nun auch das neugeborene Kind.

Wegen des schweren angeborenen Herzproblems ist der Sprössling inzwischen auf Pflege angewiesen. Nachdem die Versicherung zunächst gezahlt hatte, focht sie später jedoch den Versicherungsvertrag an und stellte die Zahlungen ein. Das Argument: Der Vater hätte den (drohenden) Herzfehler seines Kindes vor Vertragsschluss anzeigen müssen. Der Fall landete vor dem Landgericht Münster – und endete zugunsten des Kunden.

Ohne Gesundheitsfragen keine Anzeigepflicht

Das Gericht kippte zunächst die Anfechtung des Versicherers. Dieser habe keine Berechtigung gehabt, sich vom Vertrag zu lösen. Denn ein solches Recht setzt stets voraus, dass der künftige Versicherungsnehmer dem Versicherer trotz Offenbarungspflicht einen Umstand arglistig verschwiegen hat. Eine solche Offenbarungspflicht bestehe allerdings nur, wenn der Versicherer konkrete Auskünfte einfordert. Da der Versicherer vorliegend aber gar keine Gesundheitsfragen gestellt habe, fehle es bereits an einer arglistigen Täuschung.

Darüber hinaus befand das Gericht, dass der werdende Vater auch seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten nicht verletzt habe. Ein Versicherungsnehmer müsse sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass die Gesellschaft die aus ihrer Sicht gefahrerheblichen Umstände erfragt. Die Tatsache, dass der Versicherer weder beim Vertragsabschluss noch beim Antrag auf Nachversicherung Fragen zum Gesundheitszustand des Kindes gestellt hatte, lasse bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Schluss zu, dass etwaige Krankheiten des Kindes nicht von Bedeutung sind (LG Münster, Az. 115 O 199/20).

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Immer wieder versuchen Versicherungen, Verträge anzufechten, weil Kunden die Gesundheitsfragen vermeintlich falsch oder unvollständig beantwortet haben. Lassen Sie sich in einem solchen Fall in jedem Fall von einer spezialisierten Kanzlei für Kranken- und Pflegeversicherung beraten.

Geben Sie uns Feedback

Klicken Sie auf einen Stern um diese Seite zu bewerten.

Durchschnittliche Bewertung / 5. Anzahl:

Bisher keine Bewertungen. Seien Sie der Erste.

Jürgen Wahl Focus TOP Rechtsanwalt 2023 Verischerungsrecht Hanau

Versicherungsrecht Hanau

Rechtsanwalt Krankenversicherung?

Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht, berät Sie gerne bei allen juristischen Problemen mit Ihrer KV.

Wir sind bekannt aus:

Mitgliedschaften:

Deutscher Anwaltverein Frankfurter Anwaltsverein Mitgleid im Anwaltverein AG Medizinrecht Deutsche Gesellschaft für Kassenarztrecht Anwälte für Ärtzte