Krankentagegeldversicherung: Wiederholen ist gestohlen?

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Eine Krankentagegeldversicherung zahlt zunächst vorbehaltlos an einen Kunden. Später verlangt sie das Geld zurück, weil der Mann zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht arbeitsunfähig war. Rechtlich einwandfrei war dieses Vorgehen allerdings nicht.

Erst Geben, dann Nehmen: Nach dieser Muster verfuhr eine private Versicherungsgesellschaft in einem Fall, den gerade das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken zu entscheiden hatte. Konkret stritten sich die Witwe eines selbstständigen Türen- und Fenstermonteurs und dessen Krankentagegeldversicherung. Der Mann hatte bei der Gesellschaft einen Vertrag abgeschlossen, wonach ihm ab dem 29. Tag bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld von 80 Euro pro Tag zustand.
2009 wurde bei dem Versicherungsnehmer ein Rektumkarzinom festgestellt. Der Mann musste sich sowohl einer Operation als auch einer Chemotherapie unterziehen. Die Versicherung zahlte ihm ab dem 1. September Krankentagegeld.
Im April 2011 verschlechterte sich der Zustand des Patienten massiv, die Ärzte fanden Metastasen und ein weiters Karzinom, so dass der Mann im Juni 2011 zwei weitere Operationen und eine erneute Chemotherapie über sich ergehen lassen musste.
Im November 2011 führte die Versicherung eine Nachprüfung des Falles durch und kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer wegen seiner schweren Krankheit nicht mehr nur arbeits- sondern berufsunfähig war. Daraufhin setzte sie ein Schreiben auf, wonach das Versicherungsverhältnis – mit Blick auf die „aktuelle Arbeitsunfähigkeit“ des Versicherungsnehmers nach Ablauf einer bedingungsgemäßen Karenzfrist – beendet sei. Zudem stellte sie die Zahlungen ein und verlangte das – aus ihrer Sicht – zu viel gezahlte Geld zurück.

Auch Versicherungen sind an Treu und Glauben gebunden

In erster Instanz bekam noch die Versicherung Recht. Das OLG Saarbrücken allerdings bewertete die Dinge differenzierter. Es entschied, dass die Gesellschaft nur einen Teil der bereits gezahlten Gelder zurückverlangen kann.
Einem Krankentagegeldversicherer, der seine zunächst vorbehaltlos erbrachten Leistungen auf Grundlage einer späteren Begutachtung einstellt, weil er im Rahmen dieser Nachprüfung eine Berufsunfähigkeit festgestellt hat, könne es nach Treu und Glauben versagt sein, sich zur Begründung dieser Rückforderung im Nachhinein auf das seinerzeitige Fehlen der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit zu berufen (Az. 5 U 57/20).
Es sei anerkannt, dass das Versicherungsverhältnis in ganz besonderem Maße von Treu und Glauben beherrscht werde, und dass sich der Versicherungsnehmer in Anwendung dieses Grundsatzes, aufgrund der überlegenen Sach- und Rechtskunde des Versicherers, in gesteigerter Weise auf dessen Auskünfte und Erklärungen verlassen können müsse. Entsprechend könne der Umstand, dass Leistungen erkennbar abschließend abgerechnet wurden, einen Vertrauenstatbestand schaffen, der das spätere Berufen des Versicherers auf die fehlende Leistungspflicht ausschließe, weiter das OLG Saarbrücken.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hanau:

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken ist zu begrüßen. Der Versicherer hat durch seine vorbehaltlose Zahlung von Krankentagegeld an den schwerkranken Kunden einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Deshalb ist es der Gesellschaft nach Treu und Glauben verwehrt, die (volle) Zahlung zurückzufordern. Das gilt umso mehr, als es schon früher möglich gewesen wäre, die bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit des Kunden zu überprüfen. Das Risiko dieser Fehleinschätzung darf die Assekuranz nicht nachträglich der Witwe des Versicherungsnehmers aufbürden.

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