Fehlerhafte Beratung: Versicherungsvertreterin muss Kunden 165 000 Euro zahlen
Motorradfahrer oder Fallschirmspringer gehören nicht unbedingt zu den bevorzugten Kunden der privaten Unfallversicherung. Wie gefährliche Hobbys den Leistungsumfang beeinflussen– und warum auch die Beratung bei Vertragsschluss eine wichtige Rolle spielt.
Wer einem unfallträchtigen Hobby nachgeht, muss das beim Abschluss vieler Versicherungen offenlegen. Auch Unfallversicherer verlangen von ihren Kunden – aus nachvollziehbaren Gründen – diese Transparenz. Wer verschweigt, dass er in seiner Freizeit regelmäßig Knochenbrüche und Schlimmeres riskiert, muss also damit rechnen, dass die Assekuranz im Ernstfall die Leistung verweigert.
Allerdings sind nicht nur die Kunden in der Pflicht. Auch Vermittler müssen den Versicherungsschutz entsprechend anpassen, wenn sie von einem gefährlichen Hobbys ihres Kunden erfahren. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hervor. (Az: 7 U 168/16).
Verhängnisvolle Veränderungen
Im konkreten Fall ging es einen passionierten Speedway-Fahrer. Bei diesem Sport drehen Motorradfahrer auf ovalen Sand- oder Rasenstrecken ihre Runden. Die Kurven werden in der Regel per Drift genommen. Der Mann, der seit 1993 an solchen Rennen teilnahm, war seit 1992 Kunde bei einer Versicherungsvertreterin Zu diesem Zeitpunkt besaß er bereits eine Unfallversicherung, jedoch nicht bei der Gesellschaft, für die Vertreterin agierte.
Das änderte sich im Jahr 2001. Damals schloss der Kunde eine sogenannte Bündelversicherung ab, die neben einer Hausrat- und Haftpflicht- auch eine Unfallversicherung umfasst. Seine alte Unfallversicherung führte er nicht mehr weiter.
Beratungsgespräch mit gravierenden Lücken
Neun Jahre später zog der Mann mit seiner Frau in eine größere Wohnung. Diese Veränderung nutzte die Vertreterin für ein Beratungsgespräch. Dabei kam auch zur Sprache, dass der Mann regelmäßig an Grasbahnwagenrennen teilnimmt.
Kurze Zeit nach dem Gespräch verunglückte der Mann schwer. Sein linkes Bein und sein linker Arm trugen dauerhafte Schäden davon, zudem leidet er unter einer substanziellen Hirnschädigung.
Die Bedingungen der Unfallversicherung schlossen jedoch Leistungen in Folge von Unfällen bei Rennsportveranstaltungen aus. Die Gesellschaft verweigerte deshalb die Leistung. Der Mann verklagte daraufhin die Vertreterin auf Schadenersatz wegen Falschberatung.
Selektives Erinnerungsvermögen der Vermittlerin
Diese wehrte sich gegen die Anschuldigungen und führte aus, sie haben ihren Kunden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehende Unfallversicherung sein Hobby nicht umfasse. Dass diese Belehrung im Beratungsprotokoll nicht auftauche, liege nur daran, dass sie schon vor dem Beratungsgespräch im Jahr 2010 den Risikoausschluss erwähnt habe.
Vor dem Gießener Landgericht hatte sie mit dieser Aussage noch Erfolg. Das OLG Frankfurt hingegen gab dem Unfallopfer Recht. Zwar müssten Versicherungsnehmer beim Abschluss einer Versicherung mit Risikoausschlüssen rechnen und Handelsvertreter nicht über jedwede Leistungsminderungen aufklären. Allerdings bestehe eine Aufklärungspflicht zumindest dann, wenn der Versicherungsnehmer erkennbar irrige Vorstellungen über den Versicherungsschutz hat.
Die Argumentation der Vertreterin, sie sei dieser Pflicht bereits 1992 nachgekommen, fand das Gericht nicht überzeugend. Denn bei dem Treffen im Jahr 1992 war es gar nicht um den Abschluss einer Unfallversicherung gegangen. Warum also hätte die Vertreterin damals das Thema Deckungsausschluss zur Sprache bringen sollen?
Verwunderlich fand es das Gericht auch, dass die Frau exakte Erinnerungen an ihre Aufklärung in Bezug auf die Deckungsausschlüsse hatte, über andere Vertragsangelegenheiten des Mannes wenig zu sagen wusste
Daher sprach das Gericht dem Unfallopfer am Ende 165.000 Euro Schadenersatz wegen Falschberatung zu.
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