Grundsatzurteil zur Pflegeversicherung
Reservierungsgebühr im Pflegeheim ist unzulässig
Pflegeheime dürfen vor dem Einzug eines neuen Bewohners kein Geld von ihm verlangen, auch wenn sie ihm ein Zimmer freihalten. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Im konkreten Fall geht der Rechtsstreit über die Kosten trotzdem weiter.
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt, gute Pflegekräfte hingegen sind Mangelware. Dennoch dürfen Pflegeheime aus dem knappen Angebot kein zusätzliches Geschäft generieren und Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörige eine Gebühr für die Reservierung eines Heimplatzes abverlangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Az. III ZR 225/20).
In ihrem Urteil vom 15.07.2021 befanden die Karlsruher Richter, dass eine Platz- oder Reservierungsgebühr für die Zeit bis zum Einzug eines neuen Heimbewohners nicht mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehe. Damit seien gleichwohl getroffene Vereinbarungen mit diesem Inhalt unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob der betroffene Pflegebedürftige gesetzlich oder privatversichert sei.
Urteil mit Signalwirkung
Im konkreten Fall ging es um eine privatversicherte ältere Dame, die Ende Februar 2016 von einer Pflegeeinrichtung in eine anderes umgezogen war. Für die 14 Tage zwischen Vertragsschluss und Einzug verlangte das neue Heim bereits 75 Prozent der normalerweise anfallenden Pflegekosten und stellte knapp 1.130 Euro in Rechnung.
Nachdem der Sohn der Frau die Summe zunächst bezahlt hatte, verlangte er später sein Geld zurück. Das Heim verweigerte die Erstattung. Der Fall wurde streitig und landete schließlich vor den höchsten deutschen Zivilrichtern. Diese befanden: Gesetzlich Versicherte müssen grundsätzlich nur für die Tage bezahlen, die sie tatsächlich im Heim verbringen. Alles andere ist nicht mit § 15 Abs. 1 Satz 1 WBVG i.V.M. § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI vereinbar.
Mehr noch: Laut BGH sind die Bestimmung zwingendes Recht und gelten daher genauso für Privatversicherte, die andernfalls eine kaum nachvollziehbare Ungleichbehandlung“ erführen.
Auch Altverträge könnten betroffen sein
Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hanau begrüßt die Entscheidung. Viele Menschen, die einen Heimplatz suchten, befänden sich in einer akuten Notlage und seien daher oft bereit, mehr zu zahlen, nur um ihren Angehörigen gut versorgt zu wissen. „Dass die Rechtsprechung die zum Teil horrenden Reservierungsgebühren nun für rechtswidrig erklärt hat, ist erfreulich“, so der Rechtsanwalt. Dies gelte umso mehr, als von der Entscheidung auch Personen profitieren, die in den vergangenen drei Jahren eine solche Gebühr entrichtet haben. Ihre Ansprüche seien noch nicht verjährt, so dass auch sie sich ihr Geld zurückholen können.
Für den Kläger, der die Entscheidung in Karlsruhe erstritten hat, geht der Streit trotzdem noch weiter. Seine Sache muss erneut vor dem Kölner Landgericht verhandelt werden. Dort ist jetzt zu klären, ob der Mann, der für seine inzwischen gestorbene Mutter geklagt hatte, allein klageberechtigt ist oder ob es noch andere Erben gibt
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