Private Krankenversicherung muss Kinderwunschbehandlung bei Transidentem bezahlen

()

Kann eine privat versicherte Transperson nach einer Hormonbehandlung die Erstattung der Kosten für eine heterologe Insemination verlangen? Diese Frage musste vor Kurzem das das Landgericht Wuppertal beantworten.

Wer sich einem anderen als dem eigenen Geburtsgeschlecht zugehörig fühlt, kann sich durch Hormontherapien und geschlechtsmodifizierende Operationen dem bevorzugten Geschlecht annähern. Bis zum Jahr 2011 musste sich eine solche Person nach dem Transsexuellengesetz allerdings sterilisieren lassen, wenn sie in einem anderen als ihrem Geburtsgeschlecht leben und entsprechend ihren Vornamen und Personenstand ändern wollte. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht gekippt.

Seitdem beschäftigen Transpersonen mit Kinderwunsch die Medizin und die Juristerei. Auch das Landgericht Wuppertal musste vor Kurzem einen solchen Fall entscheiden. Geklagt hatte ein transidenter Richter, weil seine private Krankenversicherung sich weigerte, die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung zu übernehmen.

Transidentität als organisch bedingte Sterilität?

Nach einer Testosteronbehandlung besitzt der Kläger keine funktionsfähigen weiblichen Fortpflanzungsorgane mehr. Auch fehlen ihm männliche Fortpflanzungsorgane, die die Zeugung eines Kindes ermöglichen. Sein amtlicher Personenstand ist männlich. Da er und seine Partnerin sich Kinder wünschen, beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten einer heterologen Insemination bei seiner Partnerin. Ärzte bringen dabei den Samen eines fremden Spenders in die Gebärmutter der Frau ein.

Die Versicherung begründete ihre Ablehnung mit dem Versicherungsvertrag. Danach würden Maßnahmen, um eine Schwangerschaft zu erreichen, nur bei einer „organisch bedingte Sterilität“ bezahlt. Eine solche liege allerdings nicht vor, da Transidentität als biologischer Zustand zu werden sei und damit gerade keinen Fall einer organisch bedingten Sterilität darstelle.

Das Paar bezahlte den Eingriff daraufhin aus eigener Tasche, verklagte die Gesellschaft aber später auf Erstattung der Kosten. Mit Erfolg.

Auch selbstempfundene Geschlechtlichkeit entscheidet

Anders als die Versicherung bejahte das Gericht das Vorliegen einer „organisch bedingten Sterilität“ im Sinne der Bedingungen. Ein verständiger Versicherungsnehmer würde die Formulierung so verstehen, dass eine auf körperliche Ursachen beruhende Unfähigkeit vorliegen müsse, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen. Ausgehend von diesem Verständnis ist der Kläger organisch bedingt steril.

Zudem führte das Gericht aus, dass bei transidenten Personen ebenfalls eine „auf körperliche Ursachen beruhende Unfähigkeit bestehe, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen“. Denn die körperliche Fortpflanzungsfähigkeit bestimme sich nicht allein nach der Funktionstauglichkeit der physischen Geschlechtsmerkmale. Sie hänge vielmehr wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab.

Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Es handelt sich bei der Geschlechtszugehörigkeit – gleich ob trans- oder cisgeschlechtlich – um keine Wahlentscheidung eines Menschen, sondern insgesamt um einen körperlichen Zustand. Die natürliche Zeugungsfähigkeit ist deshalb evident auch dann nicht gegeben, wenn beispielsweise einem transidenten Mann (…) die Durchführung des Zeugungsaktes wie auch die Austragung und die Geburt eines Kindes aufgrund des Widerstreites der bei Geburt vorhandenen Sexualorgane mit seiner selbst nachhaltig empfundenen Geschlechtlichkeit nicht möglich ist.“

Damit muss die beklagte private Krankenversicherung dem Kläger bis zu sechs Inseminationszyklen erstatten – inklusive der Aufwendungen für eine heterologe Insemination, bei der das Sperma eines Spenders verwendet wird. Außerdem sprach das Gericht dem Mann einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 2000 Euro zu, da die Gesellschaft ihn aufgrund seiner sexuellen Identität diskriminiert hatte (LG Wuppertal, Az.: 4 O 373/21).

Kommentar von Jürgen Wahl, Rechtsanwalt für Versicherungsrecht:

Ob und in welchem Umfange eine Krankenversicherung die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung übernimmt, führt immer wieder zu Konflikten. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann helfen, die finanziellen und psychischen Belastungen in dieser sensiblen Situation gering zu halten.

Geben Sie uns Feedback

Klicken Sie auf einen Stern um diese Seite zu bewerten.

Durchschnittliche Bewertung / 5. Anzahl:

Bisher keine Bewertungen. Seien Sie der Erste.

Jürgen Wahl Focus TOP Rechtsanwalt 2024 Verischerungsrecht Hanau

Versicherungsrecht Hanau

Private Krankenversicherung Anwalt?

Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht, berät Sie gerne bei allen juristischen Problemen mit Ihrer Krankenversicherung.

Wir sind bekannt aus:

Mitgliedschaften:

Deutscher Anwaltverein Frankfurter Anwaltsverein Mitgleid im Anwaltverein AG Medizinrecht Deutsche Gesellschaft für Kassenarztrecht Anwälte für Ärtzte