Berufsunfähigkeit: Ein Friseur muss Haare schneiden können

()

Ein Friseurmeister betreibt einen großen Salon, kann aber aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht mehr selbst zur Schere greifen. Seine Berufsunfähigkeitsversicherung will trotzdem nicht zahlen. Schließlich hätte es im Laden auch andere Einsatzmöglichkeiten für den Mann gegeben. Nun das OLG Dresden den Fall entschieden.
Ein selbständiger Friseurmeister beschäftigt in seinem Salon – in wechselnden Besetzungen – zwischen 15 bis 19 Mitarbeiter. Zu ihnen gehören drei Auszubildende, zwei Rezeptionistinnen und eine Kosmetikerin.
Wegen einer Fibromatose an den Strecksehnen der Hände, einer Nervenentzündung im linken Arm, der Hand und der Schulter Schulter sowie ein Wurzelreizsyndrom an der Halswirbelsäule kann der Mann seit 2015 nicht mehr selbst als Friseur arbeiten. Anfang 2016 muss er den Salon schließen.
Er beantragt bei seiner Berufsunfähigkeitsversicherung die Zahlung der vereinbarten Rente.
Diese allerdings lehnt die Zahlung ab. Das Argument: Dem Friseur sei eine Umorganisation seiner beruflichen Tätigkeiten möglich gewesen, da er beispielsweise. die Aufgaben seiner Rezeptionistin hätte übernehmen können. Der verhinderte Figaro sah das anders. Er klagte – und errang vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden einen Sieg auf ganzer Linie (Az. 4 U 1585/21).

Der Maßstab ist die Berufsausübung „in gesunden Tagen“

Das Gericht entschied: Anders, als von der Assekuranz vertreten, sei es dem Friseurmeister nicht zuzumuten, seine Tätigkeit dergestalt umzustellen, dass er statt an den Köpfen seiner Kunden nur noch an der Anmeldung seines Salons arbeitet. Zwar sei eine solche Umorganisation grundsätzlich möglich, um eine Berufsunfähigkeit abzuwenden. Für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit sei aber stets die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend – und zwar so, wie sie sich „in gesunden Tagen“ dargestellt habe. Wer überwiegend handwerklich gearbeitet habe, könne daher nicht auf reine Verwaltungsaufgaben verwiesen werden.
Zudem führte das Gericht auf, dass der Beruf des Friseurs – anders als andere handwerkliche Berufe – „durch ein persönliches Vertrauensverhältnis“ zwischen Kunde und Coiffeur prägt sei. Es handle sich um eine körpernahe Dienstleistung, die ein gewachsenes Vertrauen erfordere. Dem Kunden sei es eben nicht gleichgültig, von welchem der im Friseursalon tätigen Friseure er bedient werde. „In der Regel bleibt der Kunde an einen Friseur gebunden, mit dem er zufrieden ist“, so das Gericht

Eigene Tätigkeit bedingt auch die Fähigkeit, Mitarbeiter zu schulen

Weiterhin sei es einem berufsunfähigen Friseurmeister nicht möglich, seine Mitarbeiter zu schulen, qualifiziert fortzubilden und auf die Einhaltung von Qualitätsstandards, insbesondere bei neuen Modetrends, zu achten, wenn er selbst praktisch nicht mehr tätig sei und allenfalls theoretische Anweisungen erteilen könne.
Die Akzeptanz als Chef sowie eine Vorbildfunktion habe unter diesen Umständen nicht mehr bestanden, so der Senat weiter. Damit sei dem Friseur die Ausübung seines Berufes, also die Leitung des Betriebs an einer von ihm bestimmten Stelle, nicht mehr möglich gewesen.
Die Versicherung musste zahlen.

Geben Sie uns Feedback

Klicken Sie auf einen Stern um diese Seite zu bewerten.

Durchschnittliche Bewertung / 5. Anzahl:

Bisher keine Bewertungen. Seien Sie der Erste.

Jürgen Wahl Focus TOP Rechtsanwalt 2023 Verischerungsrecht Hanau

Versicherungsrecht Hanau

Anwalt Berufsunfähigkeit?

Als Fachanwalt für Versicherungsrecht und Medizinrecht berät Jürgen Wahl Sie gerne! Rufen Sie uns an oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Wir sind bekannt aus:

Mitgliedschaften:

Deutscher Anwaltverein Frankfurter Anwaltsverein Mitgleid im Anwaltverein AG Medizinrecht Deutsche Gesellschaft für Kassenarztrecht Anwälte für Ärtzte