Unklare Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung gehen zu Lasten des Versicherers

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Versicherungskunden, die im Vorfeld eines Vertragsschlusses die obligatorischen Gesundheitsfragen ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung falsch beantworten, laufen Gefahr, im Ernstfall keine Leistungen zu erhalten und sowohl ihren Vertrag als auch ihre bis dahin an die Berufsunfähigkeitsversicherung gezahlten Beiträge zu verlieren.

Der Grund: In solchen Fällen kann die Versicherung sich durch einen Rücktritt oder eine Anfechtung vom Vertrag zu lösen. Dieses Recht ist allerdings nicht zum Nulltarif zu haben: Um Kunden, die bei Gesundheitsfragen schummeln, sanktionieren und ihnen die Leistungen bei einer Berufsunfähigkeit verweigern zu dürfen, müssen auch die Gesellschaften nach den Regeln spielen – und eindeutig formulieren.

Tun sie das nicht, dürfen Unklarheiten nicht zulasten des Versicherten gehen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und eine Gesellschaft zur Zahlung von 60 000 Euro Rente wegen Berufsunfähigkeit an ihren Kunden verurteilt (Az. 20 U 33/21).

Der Wortlaut der Fragen entscheidet

Im konkreten Fall ging es um einen Versicherungsnehmer, der folgende Fragen seiner Versicherung jeweils mit „nein“ beantwortet hatte:

  • B4.2: „Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Atmungsorgane (z. B. wiederholte oder chronische Bronchitis, Asthma)?”
  • B4.9: „… Wirbelsäule, Sehnen, Bänder, Muskeln, Knochen oder Gelenke (z. B. Rückenerkrankungen, Arthrose, Rheuma)?”

Als es zum Leistungsfall kam, verweigerte die Gesellschaft die Zahlung und erklärte die Anfechtung des Vertrages. Ihr Argument: Der Mann habe bei seinem Antrag auf die Berufsunfähigkeitsversicherung eine frühere Bronchitis sowie eine diagnostizierte Skoliose verschwiegen.

Der Fall wurde streitig und endete vor dem OLG Hamm. Der Senat stellte im Streit um die Berufsunfähigkeit klar: Die Gesundheitsfragen der Gesellschaft sind eng am Wortlaut auszulegen. Dies wirke sich vorliegend zugunsten des Versicherungsnehmers aus.

Zwar sei es zutreffend, dass sich der Mann im abgefragten Zeitraum wegen einer schmerzhaften Bronchitis von seinem Hausarzt habe behandeln lassen. Die Bronchitis war zur Frage B4.2 aber nicht anzugeben, weil dort im Klammerzusatz nur nach einer wiederholten oder chronischen Bronchitis gefragt wurde. Eine einmalige Bronchitis war – trotz des „z.B.“ in dem Klammerzusatz – nicht erfragt; anders lasse sich die Einschränkung auf „wiederholte oder chronische Bronchitis“ nicht verstehen.

Ebenso sei eine bloße Erwähnung einer Skoliose in einem Röntgenbefund, der zudem außerhalb des abgefragten Fünf-Jahres-Zeitraums lag – kein auskunftspflichtiges Ereignis, zumal diesbezüglich weder eine Behandlung noch eine Beratung durch einen Arzt stattgefunden habe.
Selbst die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer zuvor gestellte Anträge auf Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht vollständig angegeben spielte vorliegend keine Rolle, da diese Umstände erst im Prozess – und damit außerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist – als Anfechtungsgrund nachgeschoben wurden. Anfechtungsgründe sind aber bereits in der Erklärung selbst oder jedenfalls innerhalb der Frist zu benennen.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:

Das Urteil ist zu begrüßen und belegt einmal mehr, dass Versicherungen eindeutige Gesundheitsfragen stellen und einen etwaige Anfechtung Vertrages rechtzeitig und nachvollziehbar erklären müssen. Das ist in der Praxis längst nicht immer der Fall. Wenn auch Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistung verweigert bzw. Ihre Berufsunfähigkeit anzweifelt, helfe ich Ihnen als Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht gerne, Ihre Ansprüche durchzusetzen.

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