Mangelnde Begründung bei Leistungseinstellung: Versicherung muss mehr als 80 000 Euro BU-Rente nachzahlen
Wenn ein Versicherungsunternehmen die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente beenden will, muss die Mitteilung, die sie dem Kunden hierzu schickt, sehr spezifische Anforderungen erfüllen. Nach § 12 AVB in Verbindung mit § 174 Abs. 1 VVG wird eine Gesellschaft deshalb erst dann leistungsfrei, wenn sie dem Versicherungsnehmer in Textform mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind. Dieser Wegfall der Leistungspflicht muss zudem nachvollziehbar begründet sein.
Was genau das bedeutet, hat vor Kurzem des Oberlandesgerichts (OLG) noch einmal klargestellt. (Az. 5 U 97/22). Danach darf eine Assekuranz ihre Leistungen nur dann einstellen und den Versicherungsnehmer auf eine neue Tätigkeit verweisen, wenn sie diese Verweisung verständlich und nachvollziehbar begründet. Die schnöde Mitteilung, wonach der Kunde „nun eine andere Arbeit ausübt“, genügt diesen Anforderungen hingegen nicht. Vielmehr müssen die Gesellschaften in derartigen Einstellungsmitteilungen klar darlegen, weshalb die neue Tätigkeit aus ihrer Sicht die Anforderungen an eine zumutbare Verweisungstätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen erfüllt.
Ein neuer Job alleine reicht nicht aus, um die BU-Rente zu streichen
Der Entscheidung des OLG lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine Versicherungsnehmerin hatte im Jahr 2018 Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragt, da sie – nach eigenen Angaben – ihren Beruf als Sekretärin nicht mehr ausüben konnte. Die Gesellschaft verweigerte zunächst die Leistung. Später kündigte sie den Vertrag, weil die Kundin (vermeintlich) mit der Zahlung ihrer Prämien im Rückstand war.
Der Fall wurde streitig und zog sich bis ins Jahr 2020. Mittlerweile hatte die Versicherungskundin einen (neuen) Teilzeitjob angetreten.
Die Assekuranz sprach daher während des laufenden Verfahrens auch noch eine Verweisung auf diese (neue) Tätigkeit aus. Zu Begründung führte sie im Wesentlich an, dass die Frau nun ja offenbar wieder arbeiten könne. Detaillierte Ausführungen, inwiefern die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung der Versicherungsnehmerin entsprach oder warum ihr die neue Tätigkeit zumutbar sein sollte, fehlten jedoch. Dies wurde der Versicherung zum Verhängnis.
Das OLG Saarbrücken erklärte Einstellungsmitteilung für formal unwirksam und verurteilte die Gesellschaft dazu, der Kundin die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.230 Euro rückwirkend von März 2018 bis Ende 2023 zu zahlen. Die Gesamtsumme betrug damit rund 86.100 Euro.
Darüber hinaus kassierte das Gericht die wegen der vermeintlichen Zahlungsrückstände ausgesprochene Kündigung, so dass der Vertrag der Kundin weiterbestand.
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Das Urteil des Saarländische Oberlandesgerichts ist zu begrüßen und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann die Einstellung ihrer Leistungen nur wirksam erklären kann, wenn sie im zugrundeliegenden Schreiben die neue Tätigkeit des Versicherten verständlich und nachvollziehbar begründet. Bei Zweifeln, ob die Einstellungsmitteilung einer Versicherung den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügt, sollten Versicherungsnehmer stets die Dienste eines auf Versicherungen spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen.
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