Warum eine Depression den Schutz der privaten Unfallversicherung kosten kann
Wer durch einen Unfall bleibende Schäden davonträgt, hat automatisch Anspruch auf Leistungen seiner privaten Unfallversicherung? Darüber lässt sich trefflich streiten. Das belegt einmal mehr ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe.
Auch wenn Vertreter und Hochglanzbroschüren der privaten Unfallversicherungen oft ein anderes Bild zeichnen: Um nicht bei jedem folgenreichen Unfall zahlen zu müssen, begrenzen die Gesellschaften ihre Risiken sehr gezielt. Zum Beispiel durch die Aufnahme spezieller Ausschlusstatbeständen in ihre Bedingungen.
Welch schwerwiegende Folgen das haben kann, belegt ein Fall, mit dem sich vor Kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe befassen musste.
Im konkreten Fall ging es um den Fall einer Mutter, die für ihren (mittlerweile erwachsenen) Sohn eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatte. Der Police lagen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) 2000 zugrunde. Sie schließen einen Versicherungsschutz unter anderem bei Unfällen, „durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen“ aus.
Unfallschutz bei Suizidversuch?
Dies Klausel wurde dem Versicherungsnehmer zum Verhängnis. Bereits als Teenager litt der junge Mann an Angststörungen und hatte zudem Depressionen. Im Januar 2019 fasste der daher den Entschluss, sich das Leben zu nehmen und sprang aus dem Fenster seines Zimmers. Der Suizidversuch scheiterte zwar, jedoch brach sich der Kunde beide Beine und die Wirbelsäule. Die Mutter des Verletzten wandte sich daraufhin an ihre private Unfallversicherung und begehrte – auf Basis eines angenommenen Invaliditätsgrades von 33,5 Prozent die vereinbarte Leistung, nämlich 36 200 Euro.
Die Gesellschaft verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass es an der „Unfreiwilligkeit“ des Unfalles mangle. Hiergegen klagte die Mutter – hatte aber keinen Erfolg.
Unfähigkeit, die eigenen Handlungen rational zu steuern
Bereits die erste Instanz befand, dass der Leistungsausschluss nach 5.1.1 AUB 2000 im vorliegenden Fall einschlägig sei. Dabei nahm das Landgericht Bezug auf die Aussagen der Mutter, wonach ihr Sohn wegen seiner psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt des Suizidversuchs einem Zwang unterlegen habe und daher nicht frei handeln konnte. Ausgehend davon müsse man vorliegend von einer Schädigung in Folge einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung ausgehen – und damit von einem Ausschlusstatbestand im Sinne der Versicherungsbedingungen.
Die Mutter legte Rechtsmittel ein, konnte aber auch das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht von ihrer Auffassung überzeugen. Das OLG betonte zwar, dass der Junge vorliegend durchaus einen Unfall erlitten habe, da er aufgrund seiner Erkrankung keine freie Entscheidung für oder gegen einen Suizid habe treffen können.
Allerdings sah auch die zweite Instanz den Ausschlusstatbestand der AUB als erfüllt an. Eine depressive Episode, die die freie Willensbestimmung mit Blick auf den Suizid ausschließe, sei als Geistes- oder Bewusstseinsstörung nach 5.1.1 AUB 2000 anzusehen. Auch der Zweck des Ausschlusstatbestandes, nur Unfälle zu versichern, die nicht die Folge einer bereits zuvor bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung seien, spreche für dieses Ergebnis (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.05.2024, Az. 12 U 175/23).
Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht:
Eine psychische Erkrankung kann zwar den Versicherungsschutz kosten, muss es aber nicht. Denn in solchen Fällen wird die freie Willensbestimmung des Betroffenen normalerweise sorgfältig geprüft. Versicherte sollten sich in solchen Konstellationen zwingend durch einen spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.
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