Schwere Schnittverletzung am Finger: 4200 Euro Schmerzensgeld für Kleinkind
Ein dreijähriges Mädchen besucht in einem Hallenbad einen Schwimmkurs für Kleinkinder. Als es nach dessen Abschluss seinen Vater sieht, der es abholen will, läuft das Kind – noch in Badesachen – auf ihn zu und breitet die Arme aus, um den Papa zu begrüßen. Dabei verletzt es sich am Finger, weil von der Wand ein metallenes Eckblech absteht.
Das Mädchen zieht sich einen tiefen Schnitt am fünften Finger der linken Hand zu. Dabei werden auch Nerven und Sehnen verletzt, so dass der Finger nicht mehr aktiv streckbar ist. Das Mädchen muss zweimal in Vollnarkose operiert werden und braucht sechs Wochen lang durchgängige Betreuung, weshalb die Mutter nicht mehr arbeiten kann und einen Verdienstausfall hinnehmen muss.
Entsprechend klagten die Eltern für ihre Tochter auf Schmerzensgeld und Schadenersatz und verlangen von dem Badbetreiber, den entstandenen Schaden von fast 6000 Euro zu ersetzen.
Unglück oder Unrecht?
Vor dem Landgericht Frankfurt/M. hatten sie mit diesem Ansinnen zunächst keinen Erfolg (Az. 2-28 o 48/23). Das Gericht verneinte die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Schwimmbadbetreiber. Der vorliegende Unfall sei unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen erfolgt. Den Schaden müsse die Geschädigte daher – so hart dies im Einzelfall auch sein möge – selbst tragen, da sie ein „Unglück” erlitten habe ohne jedoch dem Betreiber ein „Unrecht” vorhalten zu können (vgl. hierzu auch BGH, Az. VI ZR 189/05).
Die Eltern wollten das nicht hinnehmen. Vertreten durch Rechtsanwalt Jürgen Wahl legten sie Rechtsmittel ein – und hatten Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt trat der Entscheidung der Vorinstanz mit einem Hinweisbeschluss und der Empfehlung entgegen, zur Vermeidung weiterer Kosten 4200 Euro an das Mädchen zu zahlen (Az. 9 U 59/23)
Kanzlei für Medizinrecht und Versicherungsrecht erstreitet Schmerzensgeld in zweiter Instanz
Anders als das Landgericht bejahte das OLG durchaus eine vertragliche bzw. gesetzliche Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass Schwimmbäder die für den Publikumsverkehr zugängliche Bereiche frei von scharfen Metallkanten halten müssen – insbesondere, wenn dort auch Kinder unterwegs sind.
Diese Auffassung werde auch durch Unfallverhütungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung gestützt, die besagen: „An Verkehrswegen sollen Wände, Stützen und sonstige Einrichtungen vom Fußboden aus gemessen bis in eine Höhe von mindestens 2 m keine Oberflächen aufweisen, die zu Verletzungen führen können und scharfkantig sind.“
Zudem müsse ein Badbetreiber davon ausgehen, dass Menschen in einem Flur nicht notwendigerweise in der Mitte laufen und mit am Körper anliegenden Armen. Gerade weil man bei dem Vorbeigehen an einer Wandecke keine über einen Anstoß hin-ausgehende Gefahr vermutet, könne es passieren, dass man die Kurve zu eng nehme oder dass man z.B. beim Reden gestikuliert und mit den Händen an eine Ecke gerät.
Das Ausstrecken einer Hand und Streifen der Ecke sei daher nicht nur unter besonders eigenartigen und entfernten liegenden Umständen zu befürchten.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtige das Gericht zudem, dass das Mädchen zwei Tage stationär im Krankenhaus aufgenommen werden musste, zwei Operationen unter Vollnarkose über sich ergehen lassen musste und über Monate nicht in die Kita konnte. Zudem war zum Zeitpunkt der Klagebegründung am 17.2.2023 die Beweglichkeit des Fingers noch eingeschränkt war.
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