Welche Bedeutung haben Vorerkrankungen für die Leistungen einer privaten Unfallversicherung?

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Die Bewertung von Invaliditätsleistungen nach Unfällen kann sehr komplex sein. Das gilt vor allem in Fällen, in denen der Versicherte bereits vor dem Unfall unter Vorerkrankungen litt oder degenerative Veränderungen aufwies und nun beurteilt werden muss, inwieweit diese die dauerhaften Unfallfolgen beeinflussen.

Besonders eindrücklich zeigt sich das regelmäßig bei Knieverletzungen, die in Deutschland zu den häufigsten Unfallfolgen gehören. Ob bei Sportarten wie Fußball, Handball oder Skifahren, bei Verkehrsunfällen oder Stürzen: Das Kniegelenk hat eine zentrale Funktion beim Gehen, Laufen und Springen und ist daher auch besonders anfällig für Verletzungen – vom Kreuzbandriss bis zum Meniskusschaden. Nicht selten sind dauerhafte Einschränkungen oder gar eine Invalidität die Folge eines solchen Unfalles. Entsprechend häufig werden Knieverletzungen daher auch als Schaden bei der privaten Unfallversicherung gemeldet.

Unfallfolge oder Verschleißerscheinung?

Oft gibt es in einer solchen Konstellation allerdings Streit darüber, ob die dauerhaften Beeinträchtigungen tatsächlich auf den Unfall zurückgehen und inwieweit etwaige Vorerkrankungen eine Rolle spielen. So auch in einer jüngeren Entscheidung des Landgerichts (LG) Fulda.

Im konkreten Fall ging es um die Klage eines 51-jährigen Versicherungskunden, der bei einem Fahrradunfall Schäden an den Menisken und Kreuzbändern beider Knie erlitten hatte. Das MRT zeigte zudem Anzeichen für eine fortgeschrittene Arthrose in beiden Kniegelenken.

In der Folge verlangte der Mann von seiner privaten Unfallversicherung die Summe von 84.000 Euro. Sein Argument: Der Unfall habe bei ihm eine dauerhafte Invalidität beider Kniegelenke mit einem Invaliditätsgrad von jeweils 3/10 des sogenannten Beinwerts ausgelöst.

Die Versicherung hingegen führte die Beschwerden des Mannes alleine auf die bereits vor dem Unfall bestehenden Verschleißerscheinungen zurück und verweigerte die Leistung. Der Fall wurde streitig. Er endete vor dem LG Fulda mit einem Teilerfolg für den Versicherungsnehmer (Az.: 4 O 51/22).

Gestützt auf die Aussagen eines medizinischen Sachverständigen befand das Gericht, dass die schon vor dem Unfall fortgeschrittene Arthrose in beiden Kniegelenken bei der Bemessung der Invaliditätsleistung zwar zu berücksichtigen war. Somit habe der Kunde nur am linken Knie eine unfallbedingte dauerhafte Schädigung in Form einer leichten Lockerung des vorderen Kreuzbandes erlitten habe. Dennoch bejahte das Gericht eine Beeinträchtigung aufgrund des Unfalles und bewertete diese mit einem Invaliditätsgrad von 1/20 des Beinwerts. Damit erhielt der Mann statt der geforderten 84.000 Euro immerhin noch 7000 Euro als Invaliditätsleistung.

Meist entscheiden Gutachten

Daraus zu folgern, dass Vorerkrankungen stets zu einer signifikanten Minderung der Versicherungsleistung führen, wäre allerdings verfehlt. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Leistungskürzung aufgrund einer Vorerkrankung nur zulässig ist, wenn diese tatsächlich eine erhebliche Mitursache der aktuellen Beschwerden ist (Az. IV ZR 521/14). Die Beweislast hierfür trägt der Versicherer.

„Allein die Tatsache, dass ein Kunde Vorschäden durch degenerative Erkrankungen hat, schließt den Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der bestehenden Invalidität nicht automatisch aus“, beruhigt auch Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hanau. Vielmehr muss – meist mit Hilfe eines Gutachters – im Einzelfall entscheiden werden, inwieweit der Vorschaden Leistungsminderungen rechtfertigen kann oder nicht.

Versicherungsnehmer, die einen ablehnenden Bescheid ihrer Gesellschaft erhalten haben, sollten sich daher unbedingt von einem Rechtsanwalt für Versicherungen beraten lassen, um ihre Chancen in einer rechtlichen Auseinandersetzung richtig einschätzen zu können.

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