Patient lehnt Behandlung ab: Was bedeutet das für seine BU-Versicherung?

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Wieviel Aufwand muss ein Versicherungsnehmer betreiben, um eine Berufsunfähigkeit abzuwenden oder zu verkürzen? Und welche Nebenwirkungen durch die Therapie muss er in Kauf nehmen? Das Oberlandesgericht Hamm vertritt hierzu eine klare Linie.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichert das Einkommen der Versicherten ab, wenn diese ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Doch welche Auswirkungen hat es auf die Leistungspflicht der Assekuranz, wenn der oder die Erkrankte eine erfolgversprechende Therapie ablehnt oder abbricht?

Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist zu beachten

In diesem Zusammenhang gilt zunächst der Grundsatz, dass Versicherte alles ihnen Zumutbare unternehme müssen, um eine Berufsunfähigkeit zu verhindern oder sie zumindest zu verkürzen. Das bedeutet in der Regel auch, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben und an ihrer Genesung aktiv mitwirken müssen. Doch wo endet die Zumutbarkeit einer solchen Behandlung? Und ab wann steht Patienten das Recht zu, selbst eine sinnvolle therapeutische Leistung noch abzulehnen?

Mit dieser Frage musste sich vor einiger Zeit das Oberlandesgericht (OLG) Hamm auseinandersetzen. Im konkreten Fall ging es um einen Versicherungsnehmer, der Ende 2013 an einer schweren Depression erkrankte. Der Mann war deshalb zunächst in stationärer und danach in ambulanter psychologischer Behandlung. Da seine psychischen Beschwerden ein normales Arbeiten trotzdem nicht mehr zuließen, meldete er bei seiner Versicherung im Februar 2015 Ansprüche auf eine BU-Rente an.

Die Gesellschaft holte in dem Fall psychiatrische Gutachten ein und lehnte mit Schreiben vom September 2015 die Leistung ab. Sie verwies unter anderem darauf, dass der Versicherte die von seinem Arzt verordneten Antidepressiva abgesetzt habe. Der Fall wurde streitig – und endete mit einer Entscheidung zugunsten des Versicherungsnehmers.

Antidepressiva bieten keine Garantie auf Heilung

Das Gericht stützte sich dabei auf Aussage eines Sachverständigen. Danach ändere der Umstand, dass der Mann – ohne das Wissen seines behandelnden Arztes – die Antidepressiva Clomipramin und Mirtazapin abgesetzt und nicht länger eingenommen habe, nichts daran, dass seine Berufsunfähigkeit „infolge“ seiner Depression eingetreten sei.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und der Berufsunfähigkeit sei unter dem Gesichtspunkt einer unterlassenen Behandlungsmethode nur dann nicht gegeben, wenn durch eine einfache, gefahrlose und nicht mit besonderen Schmerzen verbundene, sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung versprechende medizinische Maßnahme Berufsunfähigkeit vermieden werden könne. Hiervon könne vorliegend keine Rede sein.

Die Einnahme der hier in Rede stehenden Antidepressiva sei vielmehr mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, die der Kläger nicht hinnehmen muss. Der Kläger hat nach seinem Vortrag die Medikamente gerade wegen der Nebenwirkungen (und den hieraus resultierenden ehelichen Problemen angesetzt.

Zudem versprechen Antidepressiva keine sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung. Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin besteht nur eine unsichere Erfolgserwartung aber keine Erfolgsgarantie.

Auf Basis dieser Ausführungen entschied das OLG zugunsten des Kunden ( Az.: 20 U 67/21 )

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Hanau:

Versicherte, die eine ärztlich empfohlene Behandlungen ablehnen, können dennoch Ansprüche gegen ihre Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machen. Entscheidend sind die konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf die Berufsfähigkeit, nicht die Durchführung jeder denkbaren Behandlung. Ihre Versicherung sieht das anders? Sprechen Sie mich gerne an. Als Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeit helfe ich Ihnen, Ihre Ansprüche durchzusetzen.

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